29. März
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Harte
Arbeit

Dein Grundstück …

… durfte sich lange ausruhen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden höchstens Möhren, Kartoffeln, Kohl & Co. auf ihm angepflanzt.

Drumherum war etwas mehr los. Vor allem nördlich der Spree in Moabit. Der Architekt Peter Behrens war einer der Pioniere des modernen Industriedesigns. Er gründete den deutschen Werkbund mit und beschäftigte in seinem Architekturbüro einige der später wichtigsten Köpfe des berühmten Bauhaus. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er für die AEG erstmals ein Corporate Design. In der Huttenstraße steht das von ihm gestaltete Gasturbinenwerk. Mittlerweile von der Siemens AG betrieben werden dort bis heute Gasturbinen hergestellt – und zwar nicht irgendwelche, sondern mit über 500.000 PS Leistung die stärksten der Welt.

Die Menschen in den Fabriken in Moabit arbeiteten hart und mussten immer wieder für gerechtere Arbeitsbedingungen kämpfen. 1910 traten sie in einen schweren Streik, um eine Erhöhung ihres mageren Stundenlohns von 43 Pfennigen zu erreichen. Auch AEG-Arbeiter beteiligten sich an den Arbeitsniederlegungen. Der Besitzer der Fabrik, von welcher der Streik ursprünglich ausging, forderte erst vom Innenminister, am Ende sogar vom Reichskanzler persönlich immer mehr Polizei gegen die Streikenden. Insgesamt waren 30.000 Menschen auf beiden Seiten beteiligt. Professionelle, teilweise bewaffnete Streikbrecher aus Hamburg verschärften den Konflikt. Die Streikenden bewaffneten sich ihrerseits mit metallenen Werkzeugen, bewarfen die Polizei mit Kohle und Steinen und zerschnitten die Geschirre der Pferde und Gespanne. Der Arbeitskampf eskalierte, auch die Bevölkerung stellte sich auf die Seite der Streikenden und in anderen Berliner Betrieben gab es Solidaritätsstreiks.  

Mit von der Partie waren auch Streikende von Ludwig Loewe & Co. Dieser Name fehlt nie, wenn es um die ersten Großbetriebe nördlich unseres Charlottenbogen geht. In dieser Fabrik wurden Werkzeuge und Waffen produziert, nachdem man von der anfänglichen Nähmaschinenproduktion Abstand genommen hatte. Vielleicht wäre die Beteiligung am Streik zu Lebzeiten des Gründers Ludwig Loewe ausgefallen. Denn dieser war etwa zwei Jahrzehnte vorher Mitglied der „Deutschen freisinnigen Partei“, die sich sogar für eine Stärkung der „Arbeiterselbsthilfevereine“ einsetzte und dem man fortschrittliche Sozialpolitik in seinen eigenen Betrieben nachsagte.
Der berühmte Pathologe Rudolf Virchow von der Charité sagte über Loewe: „Er war einer derjenigen Männer, die nicht aus Berechnung, Leidenschaft oder im Streben nach einem ungerechten Ziel die Laufbahn des Politikers eingeschlagen haben […] ihn wiesen vielmehr Herz und Gedanken gleich mächtig auf dieses Ziel hin.“

Beim Streik in Moabit gab es kein Ergebnis, die Arbeit wurde von den Belegschaften wieder aufgenommen. Sicher aber prägte er die Arbeiterkultur in der Gegend. Bis heute ist Streik in der Auseinandersetzung von Industriellen und Beschäftigten ein Mittel der Annäherung an Kompromisse geblieben. Wenn auch auf friedlichere Art als damals in Moabit.

verfasst von
Max Mustermann
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