In der Buchkantine kann man Bücher kaufen und Kaffee trinken. Dazwischen tummeln sich Kinder, Rentner und Geschäftsleute. Zu Besuch an einem friedlichen aber lebendigen Ort – gemütlich und gleichzeitig völlig durchdigitalisiert.
Punkt 10 Uhr machen sie auf. Punkt 10 Uhr kommen die ersten Gäste. Stühle werden gerückt. Ob man lieber drinnen oder draußen sitzen möchte? Dort unter dem schönen und uralten Silberahorn, mit Blick auf die Spree. Welches Frühstück man lieber möchte, süß oder deftig? Lieber einen frischen Orangensaft oder einen Milchkaffee?
Willkommen in der Buchkantine, einem Café mit Buchladen oder einem Buchladen mit Café, je nach Bedarf. 30 Menschen arbeiten für das Café und drei für den Buchladen. „Wir haben zusammengeworfen, was eigentlich nicht zusammengehört“, sagt Fridolin Taudtmann, 35 Jahre alt. Er ist Inhaber und Chef. Ein nicht sehr großer aber energischer Mann. Schwarzes Haar, darin die ersten silbernen Strähnen.
Er redet schnell und bestimmt. Wenn er lacht, dann bricht es aus ihm heraus. Und so wie er über seinen Laden spricht, über die vielen Stunden, die er tagtäglich hier reingesteckt hat, über die vielen Gedanken, die er sich macht, morgens, mittags und nachts, merkt man ihm seine Leidenschaft für seine Arbeit deutlich an. Heute läuft es, sagt er, doch bis dahin war es ein weiter Weg.
Ein Café, berichtet er, sei laut und schnell und hektisch. Ein Buchladen sei ruhig und langsam und beschaulich. „Wir haben eine Weile gebraucht, haben alle Maschinen und Arbeitsabläufe einmal ausgetauscht, bis wir sagen konnten, dass beides harmoniert“, sagt Taudtmann. Breite Gänge, ein eigener Raum für die Kinder zum Spielen, die Terrasse draußen, der Buchladen selber, der große helle Raum, die großen Fenster – es ist gemütlich und modern zugleich. Ein echtes Berliner Café, in dem sich alle wohlfühlen: vom Studenten bis zum Rentner, vom Single mit Laptop bis zum jungen Paar mit Kindern.
Eigentlich hat Fridolin Taudtmann Gartenbau studiert, doch schon während des Studiums in der Gastronomie gearbeitet. Erst in einer berühmt-berüchtigten Diskothek, dann in der Buchkantine, damals noch an einem anderen Standort. Seine Bachelorarbeit schrieb er im Café, brauchte nur seinen Laptop und eine Steckdose. Das hat ihn angefixt oder wie er es sagen würde: „Meine Liebe zur Gastro geweckt.“
2011 zogen sie in die Dortmunder Straße Ecke Bundesratsufer, mitten rein in den Westfälischen Kiez, nur 15 Minuten Fußweg vom Charlottenbogen entfernt. Plötzlich hatten sie nicht nur 120 Quadratmeter, sondern 400. Und 2011 war es auch, als Fridolin Taudtmann vor einer Entscheidung stand: Geht er in die Wissenschaft oder wird er Gastronom? Steigt er mit ein, wird Mitinhaber oder nicht? Er entschied sich, auch wenn es harte Arbeit, wenig Freizeit und ein hohes Risiko bedeutete. „Meine Eltern sind eigentlich gar nicht so, Lehrer und Krankenschwester. Aber mich hatte der Ehrgeiz gepackt. Abenteuer Gastro. Ich wollte es wissen“, sagt er heute.
Sieht man ihn heute an seinem Lieblingsplatz sitzen, an seinem Laptop, könnte man ihn immer noch für einen Studenten halten. Dabei schreibt er gerade Dienstpläne, macht Bestellungen und kümmert sich um die Digitalisierung seines Cafés. „Eine Tonne Milch, eine Tonne Orangen und eine Tonne Kaffee verbrauchen wir im Monat. Das Café ist wie eine gutgeölte Maschine“, sagt er. Und er kümmert sich um das Management. Per Knopfdruck auf einen stylischen, rot leuchtenden Würfel kann man die Kellner an seinen Platz rufen, um zu bestellen oder zu bezahlen. Die Kellner haben dann auch gleich die Rechnung fertig.
Rund 90 Prozent aller Abläufe im Café werden digital gestaltet und ausgewertet, sagt Taudtmann. Seine Analyseprogramme kombinieren die Erfahrungen der letzten Jahre mit Wetterberichten und Wochentagen und können zu circa 80 Prozent vorhersagen, wie viele Gäste wann kommen und wie viel sie bestellen werden.
„So kann ich planen, meine Mitarbeiter gut einteilen und einen festen Schichtdienst anbieten. Das ist sehr wichtig und nicht üblich im Gastrobereich. So können meine Mitarbeiter Familien gründen und ihre Freizeit gut einteilen“, erzählt er und ist stolz darauf. Dreimal in der Woche macht er selber noch die Bar. Damit er vor lauter Verwaltung noch weiß, wie es geht und was die Kunden wünschen.
Und der Buchhandel? Der profitiert, so Taudtmann. Gäste kommen ins Café und entscheiden sich für ein Buch und umgekehrt. Die angestellten Buchhändlerinnen sind mitten im Leben drin und nicht alleine in ihrem kleinen Laden. Und es schafft Atmosphäre.