Harte Jungs, viel Schweiß, ein Team. Die Gerüstbauer vom Charlottenbogen. Ein Einblick.
Ohne sie geht gar nichts. Damit das schon mal klar ist. Willkommen bei den Gerüstbauern, den harten Jungs vom Bau. Sie lachen, sie fluchen, sie heben und wuchten – hier ganz oben im vierten Stock auf der Baustelle Charlottenbogen. Sie sind eine Kolonne und sie sind auf Zack. Jeder Handgriff, jede Bewegung sitzt. Zusammenschrauben, zusammenstecken und verbinden, rasch wächst das Gerüst. Wie eine gut geölte Maschine, so sind sie, klopfen sich auf die Schulter, machen Witze, sind rau aber herzlich.
„Wir sind ein Team, denn wir müssen uns wirklich aufeinander verlassen können. Zu 100 Prozent. Ein Fehler, eine Unachtsamkeit und es kann gefährlich werden“, sagt Enrico Ingendorf, 42 Jahre. Er ist hier der Vorarbeiter, ein Vollbart prangt an seinem braungebrannten Gesicht, seine Arme sehen aus wie ein einziger, fester Muskelstrang. An seinem Arbeitsgürtel hängen Ratsche, Hammer und Maulschlüssel. Sein Job ist es, die Übersicht über die Menge an Material zu behalten, zu kontrollieren, dass die Pläne für den genauen Standort der Gerüste eingehalten werden. Er muss aufpassen, dass alle konzentriert sind und genau arbeiten, dass jeder seinen Platz und seine Aufgaben kennt.
Wer wissen möchte, wie schwer das ist, was sie da herumtragen und sich herüberreichen, der hebe einmal selber so eine hölzerne Bohle oder einen der metallenen Rahmen an. Die hölzerne Bohle wiegt 30 Kilo, der metallene Rahmen rund 16 Kilo. Schwer, unhandlich, damit droht man sofort in die eine oder in die andere Richtung zu kippen. „Alles eine Frage der Technik“, sagt Enrico Ingendorf. „Immer in der Mitte und immer mit beiden Händen anfassen, immer aus der Hüfte heben.“ Bei ihm sieht es aus, als wäre alles federleicht. Doch bei den Gerüstbauern scheint noch alles echte, ehrliche Männer-Muskelarbeit zu sein. Haus J, vierter Stock, das ist heute ihr Arbeitseinsatzort. Ebene um Ebene ziehen sie hoch, sind den Stahlflechtern und Betonbauern immer eine Ebene voraus. Wer als Gerüstbauer arbeitet, darf nicht ängstlich sein. Denn: „Wer Angst hat, hat verloren. Er muss aber Respekt vor der Höhe haben. Wer die nicht hat, wird leichtsinnig“, sagt Vorarbeiter Ingendorf. Sein höchster Bau, den er je mit dem stählernen Kleid eingerüstet hat, war der Steglitzer Kreisel, da ging es 118 Meter in die Höhe. „Das Witzige ist, man bekommt gar nicht mit, dass es immer höher und höher nach oben geht, weil man es selber ist, der Ebene für Ebene das Gerüst baut“, sagt Ingendorf. Ein Kollege schaltet sich in das Gespräch ein. Er hätte schon die Siegessäule eingerüstet. Mit der Höhe hat auch er kein Problem: „Wir wachsen mit dem Gerüst ja mit.“ Erst ist man am Boden, dann zehn, dann zwanzig, dann dreißig Meter hoch, dann 67 Meter … bloß nicht nach unten schauen. Als sie dann mit dem Gerüst oben angekommen waren, habe er die „Goldelse geknutscht, so schön war das.“
Ursprünglich war Vorarbeiter Ingendorf ein Gas-Wasser-Installateur. Doch das viele drinnen Sein, in den Untergeschossen der Häuser, das lag ihm nicht. „Beim Gerüstbau bin ich immer draußen, immer in der Höhe, an der frischen Luft, in der Sonne. Und ich komme an Orte, wo kaum ein Berliner hinkommt“, sagt Ingendorf. Doch der Beruf ist auch kräftezehrend, das viele und schwere Heben, das liegt nicht jedem. „Von unseren Lehrlingen halten nur sehr wenige die drei Jahre durch. Wir hatten ein Jahr, da gab es 12 Lehrlinge, davon hat es einer geschafft“, sagt er. Ob einer dafür geeignet ist, das Potential hat, schwer zu arbeiten, dabei auf Zack zu sein und anzupacken, „oder in Wahrheit ein fauler Hund ist“, erkenne man schon in den ersten zwei Wochen.
Jetzt ist genug geredet. Weiter geht’s. Rahmen reichen. Kupplung anbringen. Festdrehen. Geländer anbringen. Bohlen legen. „Lego für Große eben“, sagt Ingendorf, lacht und reicht den Rahmen nach oben.