02. Apr.
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Willst du noch mehr Geschichte?

Wenn du dein neues Domizil beziehst, wirst du selbst nach und nach die Spree-Halbinsel erobern … schlendern, bummeln, die Nase mal in einen Hinterhof stecken. Was gibt es in der Nähe zu kaufen? Wo wird das beste Essen serviert? Findest du vielleicht eine Lieblingsbank an der Spree?

Wir nähern uns deinem zukünftigen Heim mit der Frage: Wo ist in der Umgebung ein bisschen Vergangenheit versteckt?

Es gibt keine archäologischen Funde auf der gesamten Spreehalbinsel. Soweit brauchen wir also nicht zurückzugehen. Zum Glück. Viele Jahrhunderte lang diente unser Grundstück als Weide für Ziegen und Schafe. Die ersten genauen Karten aus den 1930er Jahren zeigen neben einem anderen Straßenzuschnitt eine lockere Bebauung und einige Wohnhäuser entlang der Helmholtzstraße. Die „Kolonie Pascalstraße“ ist auf einer Karte aus dem Jahr 1951 erstmals namentlich erwähnt.

Starten wir unseren Spaziergang dort, wo sich Landwehrkanal und Spree treffen. Wir finden an dieser Stelle auf alten Plänen ein Salzmagazin. Salz ist ja heute sehr in Mode. Damals ging es aber nicht um exklusive Sorten wie rosa-schimmerndes Himalaya-Salz. Das Salz für das Salzmagazin kam unter anderem aus Halle an der Saale und wurde dort aus Sole gewonnen. Oder aus Staßfurt, wo Anfang des 19. Jahrhunderts die Entdeckung eines Millionen Jahre alten Meeres Salz im deutschsprachigen Raum erst erschwinglich machte. Benötigt wurde es dringend zum Haltbarmachen von Lebensmitteln. Heute können wir uns unser Leben ohne Salz in der Suppe nicht mehr vorstellen. Und natürlich war deshalb auch in der damaligen Zeit das Würzen von Speisen mit den weißen Körnern eine willkommene Abwechslung in jedem Kochtopf. Der gesamte Abschnitt des Landwehrkanal-Ufers vom Spreekreuz bis zum Tiergarten ist heute noch nach dem ehemaligen Salz-Depot benannt.

Hausboote am Berliner Landwehrkanal (© Sir James)

Wir verlassen das Ufer und laufen in nordöstlicher Richtung die Dovestraße entlang. Auf Höhe der Biege zur Helmholtzstraße hat die linker Hand gelegene Spree eine kleine Einbuchtung. Hier gab es einst eine vorbildliche Müllverladestation. 20 Jahre lang, bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, fuhren die Müllfahrzeuge in eine Halle ein, entleerten ihren Müll in einen Kahn in der Spree und verließen die Anlage, ohne den nachfolgenden Müllautos dabei in die Quere zu kommen. Ein reibungsloser Ablauf – gut durchdacht und effektiv. Ästhetisch ist das Gebäude überdies und so wurde es später als Beispiel der Architekturrichtung ‚Neues Bauen‘ zum Baudenkmal erklärt.

Wenn wir jetzt in die Helmholtzstraße einbiegen, befand sich linker Hand hinter der Müllverladestation früher ein großer Autobusbetriebshof. Schlägt man eine Ausgabe der „Deutschen Bauzeitung“ von 1927 auf, findet man dort eine ausführliche Beschreibung der „großzügigen neuzeitlichen Großgaragenanlage“, wie der Autor, ein pensionierter Regierungsbaumeister, von der neu gebauten Halle schwärmt. Man erfährt interessante Details wie zum Beispiel: „Die Beheizung der Halle ist als Niederdruckdampf-Umluftheizung ausgeführt.“

Äußerst intensiv ist die Reinigung der doppelstöckigen Fahrzeuge: „Bei der Einfahrt werden die Wagen einem Hofschofför übergeben und gelangen zur Trockenreinigung. Darauf durchlaufen sie die warme Naßreinigung, dann das Abputzen mit kaltem Wasser.“ Nach harter täglicher Arbeit ein so gründliches Bad zu nehmen – das wünschte sich mancher Zeitgenosse in der Umgebung. Die Halle steht noch – jedoch Busse werden dort heute nicht mehr gewaschen.

Drehstromtriebwagen der Firma Siemens – 1903

Wir gehen weiter auf der Helmholtzstraße in Richtung Nordosten. Hier steht das ehemalige „Werk S“ von Osram. Das „S“ stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts für Siemens. Siemens hatte sich innerhalb von 50 Jahren von einer kleinen Werkstatt zu einem weltweit tätigen Elektrounternehmen entwickelt und mit bahnbrechenden Großprojekten wie Telegrafenlinien und Erfindungen wie der des dynamoelektrischen Prinzips, das Leben der Menschen gründlich verändert. Und eben auch mit Glühbirnen. Eine Zeit lang hatte Siemens seinen Hauptstandort unten am Salzufer (von wo wir gerade kommen), zog dann aber weiter in den Westen der Stadt.

Siemens gründete zusammen mit AEG und dem Erfinder des Glühstrumpfs Carl Auer von Welsbach die Firma Osram, die hier in der Helmholtzstraße ein Glühlampenwerk betrieb. In einer Zeit, in der ein großer Wettbewerb und immer neue Entwicklungen die Glühlampenproduktion berauschend schnell expandieren ließen, war auch dieses Werk beteiligt an der Erleuchtung von immer mehr privaten Haushalten in Berlin. Für dich wird es selbstverständlich sein, wenn du in deiner Wohnung im Charlottenbogen den Schalter neben der Eingangstür betätigst, und diese sofort hell erleuchtet ist. Für die Menschen früher war das noch für lange Zeit ein unglaublicher, wunderbarer Luxus.

Da wir jetzt an der Ecke Pascalstraße stehen, sehen wir von dort aus schon fast den Charlottenbogen. Wir gehen in Richtung deines neuen Domizils und tauchen schnell wieder in unsere Lebenswirklichkeit ein. Wenn jemand vor dir zu Hause sein sollte, ist es auch schon hell erleuchtet.

verfasst von
Max Mustermann
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