Heute sind wir zu Besuch bei Kranfahrer Frank. 50 Meter über der Erdoberfläche und damit über den meisten Dächern Berlins. Einblicke in das Leben eines Kranfahrers, ohne den auf der Baustelle nur wenig laufen würde.
Hoch oben, über den Dächern von Berlin, schwebt Frank. Wer zu ihm will, muss vor allem eines sein: Schwindelfrei. Wer dann immer noch zu ihm will, muss viele, viele Leiterstufen in die Höhe steigen. Denn Frank ist ein Kranführer und der Kran mit der Nummer 1 auf der Baustelle Charlottenbogen ist zurzeit sein Arbeitsplatz. Es ist ein Arbeitsplatz, der nicht einmal einen Quadratmeter groß ist. Viele Freiheiten hat er also nicht, dort oben in seiner kleinen Kranfahrerkabine. Es passen rein: Ein Sitz, zwei Joysticks, ein kleiner Bildschirm, eine Kontrollleiste und ein kleiner Heizer. „Der hält mir im Winter die Bude warm“, lacht Frank und heißt mich herzlich willkommen.
58 Jahre alt ist er, kommt aus Eberswalde und ist seit über 20 Jahren Kranfahrer. Früher war er Baumaschinist, doch so viele Tage im ganzen Land unterwegs zu sein, immer von Baustelle zu Baustelle, seine Familie nicht zu sehen bekommen, „das wollte ich nicht mehr“, sagt er. Darum hat er umgelernt, zum Kranführer. Seitdem kommt ein Auftrag nach dem anderen herein. Immer hat er Arbeit. Eine Bedingung stellt er aber: Jeden Abend will er heimfahren können. Deswegen ist Berlin seine Baustelle. Eigentlich gibt es keine Ecke der Stadt, die er noch nicht aus der Vogelperspektive gesehen hat.
Lässt man nun seine Blicke schweifen, sieht man in der Ferne den Fernsehturm aufragen. Dort hebt sich stolz die Siegessäule. Da schlängelt sich die Spree. Doch für diese Ausblicke hat Frank gar keine Zeit. „Wenn ein Schiff vorbeikommt, schaue ich noch, ansonsten bin ich mit meiner Aufmerksamkeit da unten“. Mit diesen Worten dreht er den Kran nach rechts und fährt mit der Laufkatze nach vorne. Laufkatze, so heißt der bewegliche Teil des Krans, an dem die Seile hängen, die die schweren Lasten von einem Ort auf der Baustelle an einen anderen heben.
Tief unten steht ein Arbeiter auf einem LKW, der zehn tonnenschwere Betondecken geladen hat. Frank manövriert die Kette zu dem Arbeiter, der nimmt diese und die daran befestigten Haken entgegen, macht sie an der obersten Betondecke fest, gibt Frank ein Aufwärts-Zeichen mit der Hand. Nun kann er loslegen.
Langsam und vorsichtig steuert Frank die Fracht über die Baustelle. „Ich muss immer aufpassen, dass keine Menschen unter dem Hub sind und darauf achten, was die anderen Kräne machen“, sagt er. Die Betondecke schwebt durch die Luft, so mühelos und elegant, als ob sie leicht wäre wie eine Feder. „Einen guten Kranfahrer erkennt man daran, dass da nichts schaukelt und wackelt und alles völlig sauber heruntergelassen wird“, sagt Frank.
Denn so leicht das alles aussieht, nur ein Fehler und er könnte einen seiner Bauarbeiterkollegen tödlich verletzen. Deswegen muss Frank hochkonzentriert sein, auch wenn er 20 oder 30mal hintereinander denselben Hub macht. Wenn der Wind weht, muss er noch mehr aufpassen. Seine Last darf nicht schwanken oder schlingern. Auf dem Kran ist ein Windmesser befestigt. Wird der Wind zu stark, muss der Kran stillgelegt werden. Welche Windstärke das ist, hängt von der Höhe des Kranes ab. Absolute Oberkante sind aber Windstärke 8 und damit 72 Kilometer pro Stunde.
„Einsam ist es hier manchmal“, sagt Frank jetzt. Acht oder manchmal mehr Stunden arbeitet er vor sich hin, alleine und ohne mit jemandem zu sprechen, bis auf die kurzen Anweisungen über das Funkgerät. Darum steuert er den Kran lieber mit einer Funkfernbedienung vom Boden aus. Da steht er mitten im Geschehen und schwebt nicht über den Dingen.
Wenn Frank Pause macht, dann kraxelt er wieder nach unten und geht zuallererst auf Toilette. Noch so eine Sache, die ein Kranfahrer nicht haben darf: eine schwache Blase. „Ich halte das gut aus“, sagt Frank. Wenn es aber nicht mehr geht, dann geht es nicht mehr und er muss runter. Andere Kranfahrer nehmen schonmal eine leere Flasche mit hoch.
Die Betonplatte hat die Arbeiter an der zukünftigen Garagendecke erreicht. Sie geben ein Signal, dass Frank die Fracht herabsenken soll. Das ist Zentimeterarbeit. Doch auch aus 50 Metern Entfernung sieht Frank jeden Abstand, als ob er danebenstehen würde. Für das, was er nicht sieht, benutzen sie ein Funkgerät. Der Arbeiter gibt das Zeichen, Frank kann die Decke endgültig absetzen.
Ein Geheimnis verrät Frank noch. Wenn Feierabend ist, drehen sich die Kräne auf Baustellen scheinbar geisterhaft vor sich hin. Warum? Wenn die Kräne und ihre Kranführer Feierabend haben, werden die Bremsen gelöst und die Kräne windfrei gemacht. Das bedeutet, dass diese sich mit dem Wind drehen können, dadurch ist ihr Luftwiderstand am geringsten. So bleiben sie sicher am Boden stehen, bis Frank am nächsten Morgen wieder kommt.